tauzeit

Zeitschrift TAUZEIT

Wenn Sie sich spirituell anregen und nähren und über franziskanische Zusammenhänge und Kurse orientieren lassen möchten, dann empfehlen wir Ihnen die TAUZEIT – die Zeitschrift der INFAG CH (franziskanischer Dachverband), redigiert vom Tauteam.

Sie erscheint vier Mal im Jahr. Die einzelnen Hefte sind thematisch gestaltet und orientieren sich an Grundwünschen des Menschseins und an franziskanischen und klarianischen Werten. Das Heft bemüht sich um Tiefe und Weite seiner Beiträge und legt Wert auf eine schöne und schlichte äussere Gestalt.

Gerne schicken wir Ihnen die aktuelle Ausgabe zu.

Ein TAUZEIT-Jahresabo à 20 Franken kann bestellt werden bei:
Missionsprokura Olten, Amtshausquai 8, 4601 Olten
Telefon 062 212 77 70, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Aktuelles

Festliche Dankesessen im Oltner Pfarrhaus von St. Martin am Lago di Merlot

Zwischen der imposanten Oltner St.-Martins-Kirche mit ihren mächtigen zwei Türmen und der Pfarrvilla im Jugendstil liegt der Pfarreigarten mit dem Lago di Merlot, in einer reichen Bepflanzung, rundherum der Spazierweg mit einladenden Holzbänken.
Der Name des Teiches erinnert die Bewohnenden des Seniorenheims St. Martin und die Pfarreigemeinschaft daran, dass ihr Erholungsraum und der willkommene Park für Pfarreianlässe den Namen vom Pfarrer als Deutschschweizer Generalvertreter des Merlot aus dem Kapuzinerkloster Lugano erhalten hat.
Besuch erhielt der Teich auch jeden Frühling von einem verliebten Entenpaar, das sein Turteln wegen der geringen Abstände schliesslich ans sichere Aareufer verlegen musste. Ein frecher Fischreiher bediente sich gelegentlich an den grössten und dicksten roten und gelben Goldfischen, bis ihn die beherzte Pfarreisekretärin Käthy Wollschlegel-Steffen mit energischem Händeklatschen zum Auf- und Davonfliegen brachte.
Als ein kleiner Junge bei einem Pfarrei-Apéro plötzlich lautlos im tieferen Teil des Teiches versank und von einem beherzten jungen Vater im letzten Augenblick gerettet werden konnte, verlangten besorgte Mütter einen Maschendrahtzaun um den Teich. Und spitze Oltner Zungen sagten dann, das sei am Tag wegen der Kinder und nachts wegen dem Pfarrer.
Um das Pfarreileben verdiente Frauen und Männer, Pfarreiangestellte, Kirchenverantwortliche und höhere Geistliche wie Firmspender wurden regelmässig in das repräsentative Pfarrhaus zu einem festlichen Dankesessen eingeladen.
An den Farbtafeln mit den historischen Uniformen der Schweizergarde vorbei - ein Geschenk des damaligen Gardeobersten Pius Segmüller - stiegen die Gäste in den ersten Stock hinauf und wurden im zentralen Musiksaal mit seiner entsprechenden reichen Stuckaturdecke feierlich empfangen und einander - falls nötig - vorgestellt.
Und schon läutete ein erstes Glöcklein zur offiziellen Begrüssung und zu ersten Dankesworten für den Anlass. Vor der lateinischen und griechischen Spezialbibliothek des Pfarrers und Altsprache-Dozenten stand der Flügel mit Geschenken für die Verdienste der Gäste.
Gegenüber aber stand ein alter Holztisch mit den Kühlbehältern für exquisiten Rosé- und Weisswein: Oeil de Perdrix und Fendant Balavaud, natürlich auch für Orangenjus und Valser Mineralwasser. Auf einem Königsteppich aus Marakesch stand unter einem Kronleuchter in der Mitte ein Ahornholztisch aus dem ehemaligen Kapuzinerkloster Sursee. Darauf wurden die Getränke in tschechischen Kristallgläsern serviert, Geschenke bei Enkelkind-Taufen der Grossmutter Helena Pustina aus Stans, dazu in Schalen aus Olivenholz aus Assisi vielerlei Sorten von Apéro-Naschereien: Salzgebäcke, Nüsse, grüne Oliven, Dörrfrüchte und die ewigen Chips. Zwischendurch konnten die Gäste auf den Balkon treten und den vorderen Pfarreigarten mit seinem alten Baumbestand bewundern, ein natürlicher Schutz vor neugierigen Blicken der Passanten.
Auf ein Zeichen aus der Küche hin wurde die Gästeschar in den Salon komplimentiert, wo sie auf einem roten Gabé-Teppich ein festlich mit weissem Tuch geschmückter Ausziehtisch aus Buchenholz erwartete, Villeroi-Geschirr mit zweifarbigem Hochzeitsbesteck der Pfarrerstante Marie-Berthe Merz-Zihlmann, die Messer auf kleinen Hergiswiler Glasbänklein, dazu Pokale für den Wein, Geschenke der Geistlichen Mutter Josefine Meyer-Banz von Sankt Jost im Dottenberg und die unvermeidlichen Wassergläser, dazu der gedruckte Menüplan. Unter diskreter Regie des Gastgebers wurden dann die Plätze nach einer genauen Sitzordnung eingenommen.
Ganz unten sass der Martinspfarrer neben einem leeren Stuhl für seine GouverTante Mutter Anna Glutz-Zihlmann, die alsbald aus der Küche kam und den Anfang der vorliegenden Menükarte verkündete. Dann läutete der Gastgeber mit seinem zweiten Glöcklein aus Assisi und betete als ehemaliger langjähriger Lehrer am Kapuzinerkollegium St. Fidelis in Stans im reinen Buochser Dialekt als «Äs Tischgebät» ein Gedicht der kürzlich verstorbenen Nidwaldner Heimatdichterin Rita Frank-Fuchs:

«Heckle, ghirme, trinke, ässä,
gniässä und der Stress vergässä.
Andri diänd fir Dich rotiärä,
rischtä, chochä und serviärä.

Aigä ha firs Bild vom Täller,
d Zungä firä Saft vom Chäller.
S Muil, zum ander frindlich griässä,
s Härz, zum alles chennä gniässä.

Ebd äs Biär trinksch oder Wey,
s darf ai numä Wasser sey.
Proscht - und heb ä scheeni Stund!
Dänk, dass diä nid umä chund!»

Auf dem Side-Bord ebenfalls aus Buchenholz stand eine stattliche Batterie von Dekantier-Flaschen mit vorgekostetem Dôle Balavaud, der stets gut mundete und die Münder schnell zum unbeschwerten Parlieren brachte. Und Walser Wasser wurde natürlich auch ein- und nachgeschenkt.
So sah ein Menüablauf etwa aus: Der erste Teller brachte eine klare Suppe mit Gemüsestreifen. Dann folgte ein kleiner Salat mit Lachsröllchen. Schliesslich kam der Tellerservice mit dem Hauptgericht und der Möglichkeit beim Nachservice nochmals tüchtig zuzugreifen: Kalbsfilet mit hausgemachten Kräuterspätzli à la Anna sowie Frühlingsgemüse.
Allmählich wurde es dann Zeit für den Gang in den Keller. Während der Salontisch abgeräumt wurde, gelangten die Gäste in das geweisselte Grotto mit zwei von Kerzenständern stimmungsvoll beleuchteten Kreuzgratgewölben, während die handgeschmiedete Lampe über dem Tisch nicht eingeschaltet wurde, um die kleinen Tischkerzchen schön aufleuchten zu lassen. Beim Eingang mit einem alten dunkelbraunen Holzbalken stand der Kredenztisch mit einem Kirschholzblatt, darüber eine Holzaufhänge mit drei Reihen farbiger Boccalini.
Der schwere Grottotisch aus Nussbaumholz war von Giuseppe Lepori in Sala di Capriasca auf Tessiner Art eigens für das Oltner Pfarrhaus gefertigt worden. Der Schreiner überbrachte dieses wahre Prachtstück mit den charakteristischen Fussstützen zusammen mit seinem Freund, dem Künstler Fra Roberto Pasotti im ältesten Kapuzinerkloster der Schweiz, in Santa Maria Albigorio oberhalb von Tesserete höchst persönlich in den Oltner Pfarrhauskeller, wo er nur mit grosser mit Mühe hereingebracht werden konnte.
Die Gäste setzten sich auf die dazu passenden typischen Tessiner Stühle mit den geflochtenen Sitzflächen und bewunderten das Gedeck. Es stammte aus dem um die Jahrhundertwende niedergebrannten Kurhotel Oberhonegg auf dem Bürgenberg. Nach dem verheerenden Brand war das hundertteilige Gedeck dem Kapuzinerkloster Stans geschenkt worden. Und seither assen die Stanser Brüder nicht mehr aus Blechtellern wie die andern Schweizer Kapuziner, sondern mit Silberbesteck aus weissem Tafelgeschirr
Bei der Aufgabe des Klosters Stans kamen je zwölf Tellertypen und ebenso viele Bestecke mit der Gravur «Kurhotel Oberhonegg» ins Oltner Pfarrhaus-Grotto, wo vergitterte Fenster einen Einbruch verhinderten.
An der Grotto-Rückwand stand ein grosses Weinfass aus der Oltner Missionsprokura des Schweizer Kapuzinerordens, in dem früher auf dem Schiffweg der Messwein in die Missionsgebiete transportiert worden war. Daneben hingen zwei handgeschmiedete Hellebarden für besonders hartnäckige Gäste. Aber vorerst widmete man sich friedlich dem obligaten Chäsplättli.
Auf der drehbaren aus Holz gefertigten runden Käseplatte – ein Geschenk des Pfarrerbruders Urs Betschart mit Gemahlin Bernadette – luden diverse Hart- und Weichkäse zum Kosten ein, zusammen mit frischen gekühlten Feigen und schwarzen Oliven.
Zum Einschank des Kapuziner-Merlots durch den Gastgeber wurde der Spruch auf den Flaschen zitiert: «Sono robusto e forte, quindi prendimi con cautela, altrimenti ti dominerò!» - «Ich bin stark und kräftig, also nimm mich mit Vorsicht, sonst werde ich dich beherrschen!»
Und schon bimmelte der ranghöchste Ortsgeistliche mit dem dritten Glöcklein aus Assisi. Jetzt konnte er eine Kurzansprache halten, die nicht vorbereitet werden durfte und spontan zu erfolgen hatte, aber durchaus auch aktuell in Gegenwart höherer Gäste aus Kirche und Gesellschaft schön gepfeffert wurde, ganz zur Freude der übrigen Gäste.
Es folgte der Anstieg zurück zum ersten Stock und die Gelegenheit, zum «Toilettieren» und eines der vier Wohnungs-WC’s zu benutzen. Dann traf man sich wieder im Esssalon, wo der Tisch in der Zwischenzeit mit dem Gold umrandeten Hochzeitsgeschirr der Pfarrereltern vorbereitet worden war.
Es folgte das Dessert mit Erdbeer- und Zitronenglacé, dazu Nespresso-Kaffee und je nach Wunsch feine Guetzli. Jetzt wurde auch das Side-Bord geöffnet, wo insgesamt 120 Flaschen mit stärkeren Wassern zum Geniessen einluden, vom feinsten Cognac über lokalen «Härdöpfeler» vom Hauenstein bis hin zu sackstarkem Träsch mit einem Spruch aus dem Buochser Theater: «Frei di Härz, äs chund ä Flatz!»
Und dann, zum Abschied und auf den Heimweg erhielten die Gäste noch ein schöne Ermunterung mit, das Gebet um Humor des heiligen Thomas Morus aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts:

«Schenke mir eine gute Verdauung, Herr, und auch etwas zum Verdauen!
Schenke mir Gesundheit des Leibes, mit dem nötigen Sinn dafür, ihn möglichst gut zu erhalten!
Schenke mir eine heilige Seele, Herr, die das im Auge behält, was gut ist und rein, damit sie im Anblick der Sünde nicht erschrecke, sondern das Mittel finde, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen!
Schenke mir eine Seele, der die Langweile fremd ist, die kein Murren kennt, kein Seufzen und kein Klagen,
und lass nicht zu, dass ich mir Sorgen mache um dieses sich breit machende Etwas, das sich Ich nennt!
Herr, schenke mir Sinn für Humor und gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen, damit ich ein wenig Glück kenne im Leben und anderen davon mitteile! Amen.»

Und was passierte mit dem Gastgeber? Nach 17 Jahren war die glorreiche Herrlichkeit endgültig vorbei. Der selbstbewusste Oltner Stadtpfarrer wurde zum einfachen Quartier-Kaplänli der Luzerner Stadtpfarrei St. Leodegar im Hof, wieder demütig eingebunden in die Ordensdisziplin des Kapuzinerklosters Wesemlin.
Hanspeter Betschart


800 Jahre Franziskaner nördlich der Alpen

c 500 375 16381940 00 images LagoMaggiore1 RoncoBrissago7Es hat viel Mut gebraucht - im Frühling 1221! Nach einem missglückten ersten Versuch suchte Franziskus entschlossene Brüder, die auch nördlich der Alpen für eine geschwisterliche Kirche einstehen. Dazu musste er Ängste vor der "Wildheit der Deutschen" abbauen. Das Märzheft von Tauzeit widmet sich in einem kurzen Beitrag diesem Aufbruch über die Alpen. Das Bild blickt vom Alpensüdrand über die Insel Brissago nach Norditalien, wo sich die Brüder zum Aufbruch nach Norden sammelten. Dank diesem gibt es das franziskanische Charisma nun seit 800 Jahren im deutschen Sprachraum. 

Der Aufbruch fand nach einer gebührenden Zeit der Vorbereitung und des Abschieds im Frühherbst statt - und nahm Jahrzehnte vor der Erschliessung der Gotthard-Passroute den Weg über den Brenner. Der "Umweg" bewirkte, dass die ersten Brüder dann 1231, zehn Jahre später, von Strassburg her in die Deutschschweiz gelangten und in Basel Fuss fassten.

Wir geben hier vom Märzheft 2021 der TAUZEIT den kurzen Beitrag zum Jubiläumsjahr wieder:

pdfTauzeit 2021 Märzheft: 800 Jahre Franziskaner nördlich der Alpen

Die noch erhaltene Kirche des in der Reformation aufgehobenen Franziskaner- oder Barfüsserklosters Basel, erste Gründung des Ordens in der Deutschschweiz, stammt in seiner gotischen Schönheit aus dem späten 13. Jahrhundert. 

 FranziskanerklosterBasel light

 

Die Karte zeigt die Ausbreitung des Franziskusordens auf dem Gebiet der Schweiz bis zur Reformation: Brüder, Schwestern Klarissen und Terziarinnen-Gemeinschaften.

c 750 484 16381940 00 images Schweiz Franziskaner vor1500

 

 

 

 

Antonius von Padua in Tradition und Rekonstruktion

Auch Nicht-Geschriebenes ist zu lesen! Das Dezemberheft von TAUZEIT trägt den Titel "Liebe - in die Welt geschrieben". Die Schöpfung ist ein Lied: Die Siessener Schwestern haben dazu den "Sonnengesang" in ihrem Franziskusgarten sinnlich erlebbar und begehbar gemacht. Unsere Berge erzählen von Millionen Jahren Geschichte, unsere Dörfer von Jahrhunderten und Jahrzehnten des Wandels, die Landschaften Galiläas und Judäas lassen sich als "Fünftes Evangelium" lesen! 

AntoniusPadua Rekonstruktion3Und Antonius' Gebeine erlauben es, kriminaltechnisch untersucht, das mögliche Aussehen des grossen Wanderpredigers zu rekonstruieren. Klaus Renggli schreibt dazu einen Artikel, den wir hier im vollen Umfang zugänglich machen: Im Heft war nur für eine gekürzte Version Platz - und für nur eines der beiden Fotos der unterschiedlichen Rekonstruktionsversuche.

"Tauzeit" Nr. 87 - Dezember 2020

Der Beitrag von Br. Klaus Renggli in voller Länge:

Sein Gesicht möchte ich sehen

Antonius von Padua in Tradition und Rekonstruktion

Wenn ich einen Roman lese oder eine Biografie studiere, mache ich mir spontan Gedanken, wie die Person wohl aussehen könnte, was ihr Gesicht widerspiegelt und wie ihre Gesten sind. Das so entstandene Bild ist natürlich geprägt von meinen subjektiven Eindrücken, Vorstellungen und Fantasien, und entspricht kaum der Wirklichkeit. Das gilt ebenfalls für einen Künstler, der einen Heiligen darstellen soll. So haben wir zum Beispiel ganze Bildergalerien von Franz von Assisi. Die Darstellungen des Poverello unterscheiden sich kontrastvoll, obwohl der erste Biograph, Thomas von Celano, in seiner ersten Lebensbeschreibung in Worten genau festhielt, wie der heilige Franz ausgesehen hat. Aber wie vielfältig wurde er und wird er bis heute dargestellt! 

Einem Künstler wird meistens von seinem Auftraggeber vorgeschrieben, welche Haltung, welche Mimik, welcher Ausdruck der darzustellenden Persönlichkeit er betonen soll. Die Kirchenleute liessen daher ihre Heiligen besonders oft in einem guten Licht, in einer tugendhaften oder einer süssfrommen Haltung erscheinen. Daher ähneln sich die Bilder von Heiligen so sehr.

Was wir über künstlerische Darstellungen von Franziskus sagen können, gilt noch viel mehr von seinem ebenso populären Gefährten Antonius von Padua. Als Redaktor der Zeitschrift „Franziskanische Botschaft“ musste ich über dreissig Jahre lang für jede der sechs jährlichen Ausgaben ein neues Bild des Volksheiligen suchen, um die Rubrik „Seite des hl. Antonius“ zu füllen. Ich versuchte, möglichst viele unterschiedliche Darstellungen aus acht Jahrhunderten zu veröffentlichen. Ich bin überzeugt, dass keines dieser vielen Bilder das wahre Gesicht des heiligen Antonius wiedergeben kann.

Das Grab des heiligen Antonius befindet sich in der Basilika von Padua, und zwar seit 1350 an einem Seitenaltar, in der sogenannten Grabkapelle. Zweimal hat man seinen Sarg geöffnet, um die Echtheit der sterblichen Überreste zu prüfen. Das erste Mal ordnete der damalige General Bonaventura 1263 bei der Umbettung in die neu errichtete Basilika die Rekognoszierung an. Dabei fand man seine unversehrte Zunge. Die Echtheit der Reliquien wurde seitdem kaum mehr bezweifelt. 750 Jahre nach dem Tod von Antonius, 1981, also vor kaum dreissig Jahren, wurde eine neue, sehr gründliche Untersuchung der Reliquien durchgeführt. Zwei Kommissionen wurden vom Vatikan zu diesem Zweck ernannt, eine religiöse und eine technische-wissenschaftliche. Der Ablauf wurde genau beobachtet und minutiös dokumentiert. Der grosse Sarg aus Fichtenholz hinter der Seitenplatte des Sarkophags enthielt eine kleinere Kiste in der sich, schön unterteilt, das Skelett, sein Ordensgewand und das restliche, im Laufe der Zeit zerfallene organische Material befand. Die Rekognoszierung von 1981 ermöglichte genaue Untersuchungen historischer, technisch-künstlerischer, anthropologischer und medizinischer Art des gesamten vorgefundenen Materials. 

An Hand der sterblichen Überreste haben die Experten Folgendes festgestellt: Der heilige Antonius war ziemlich gross, circa 171 cm, zu einer Zeit, als die Durchschnittsgrösse von Männern bei ca.163 cm lag, mittelmässig robust, ein guter Läufer mit starken Beinen. Weiter heisst es: Er hatte eine längliche, gemässigt breite Kopfform, eine beachtliche Schädelkapazität, ein markantes, starkes und leicht quadratisches Kinn, das nicht sehr hervorstehend war, eine schmale Nase, tief liegende Augen und schwarze Haare. Festgestellt wurde ebenfalls, dass er an Wassersucht litt.

Auf der Basis dieser Erkenntnisse aus der Untersuchung des Skeletts gelang es in der Mitte der 1980er Jahre, eine Bronzebüste von Antonius anzufertigen. Und was kam heraus? Das hagere, knochige Gesicht entspricht in keiner Weise den Bildern, von denen man beteuert, sie würden dem wirklichen Antonius sehr ähneln. Das wird vor allem von einem Fresko in der Basilika behauptet, welches sich in einem Bogen des Chores befindet und daher von den Besuchern kaum wahrgenommen wird. Das Entstehungsjahr und der Künstler dieses Bildes sind unbekannt. Es könnte um das Jahr 1320 von einem Schüler Giottos stammen. Beim Anblick der 1985 neu erstellte Büste waren vor allem viele Gläubige, die den hl. Antonius besonders verehren, entsetzt. (Bild oben).

AntoniusPadua Rekonstruktion4Dann folgte vor einigen Jahren eine weitere Arbeit, um möglichst genau herauszufinden, wie der Heilige in Wirklichkeit ausgesehen hat. Dieses Unterfangen wurde von Fachleuten aus Brasilien und Italien vorgenommen. Cicero Moraes, ein Experte in der forensischen Anthropologie der Universität San Paolo leitete die Arbeiten. Viele Fachleute aus der Universität Padua und der Umgebung waren daran beteiligt. Sie erstellten ein 3-D-Bild des heiligen Antonius. Das brauchte nicht allzu viele Daten, damit der Gesichtsausdruck entstand. Es zeigte ein bärtiges Gesicht, leicht pausbackig, fleischige Lippen, olivgrünliche Haut, tiefliegende, braune Auge, schwarze Haare, normaler, lebendiger, lächelnder Gesichtsausdruck.

Dieses neue Gesicht bringt das klassische Bild des Heiligen durcheinander. Es reinigt ihn von allen kulturellen und religiösen Vorstellungen, die im Laufe der Jahrhunderte hinzukamen. Diese wurden natürlich in einer gutgemeinten, meist religiös überhöhten Absicht hinzugefügt. Diese neu rekonstruierte Darstellung nahm vom Gesicht des heiligen Antonius alles weg, was wir darin lesen wollten. Es zeigt uns zuverlässig ein Gesicht, wie es wirklich war und nicht, wie wir es gerne hätten. 

Ist das nun der wirkliche, echte, wahre Antonius? Persönlich denke ich, dass wir das nicht absolut behaupten können. Wahrscheinlich kommt diese Darstellung sehr nahe an das eigentliche Gesicht heran. Aber eine endgültige Sicherheit haben wir nicht. Das ist auch nicht wichtig. Wir sollten uns nicht aufhalten an diesen kleinlichen, äusseren Dingen. Wie leicht gleitet man in die Gefahr des Aberglaubens ab und erwartet von den Reliquien Schutz und Halt für unser Leben. Dabei vergisst man leicht das Wesentliche, nämlich was uns Antonius neben dem, was wir jetzt aus seinen Gesichtszügen lesen können, sagt. Sein Leben und sein Wirken sprechen da eine klare Sprache. Er ist und bleibt eine Person, die das Evangelium nicht nur gut kannte, sondern vor allem auch lebte. Seine Sorge um die Entrechteten und Armen zeigt, wie er die Botschaft Jesu klar als Auftrag zum sozialen Einsatz für den Menschen nebenan erkannte und ihn in die Tat umsetzte.

Klaus Renggli

 

 

 

 

Auf den Weg nach Betlehem

Das Dezemberheft von TAUZEIT widmet sich "Lesbarem", das nicht geschrieben ist. Die biblische Weihnachtsgeschichte ist eine Botschaft, die durch das Geschehen spricht. Die Franziskanerin Sr. Gielia Degonda fasst das Geschehen in ein tiefsinniges Bild. Es findet sich im Essraum der Ingenbohler Schwestern im Theresianum und wird von ihrer Mitschwester Sr. Imelda Steinegger eingehender betrachtet.

GieliaDegonda Weihnachten

V E R B O R G E N 

Hielten Sie sich in letzter Zeit im Bereich eines Warenhauses auf, der entsprechend der Jahreszeit geschmückt war? Haben die golden, silbern und weiss glänzenden Kugeln und Bänder ihren Blick gefangen genommen und beglückend weihnächtliche Stimmung aufkommen lassen?

Mein Blick sucht nicht nur vor Weihnachten, sondern auch das Jahr hindurch Momente, während denen ich das Bild betrachte, das die Künstlerin Gielia Degonda diesem Festbereich zugeschrieben hat und bin stets neu fasziniert. Zarte Rosafarben - eine Rotmischung aus Magenta und Kadmium - ziehen mich an und lassen mich still werden. Mein Blick geht durch waagrechte, parallel verlaufende Hell-Mittel und Dunkel-Schichten von oben nach unten, geht hinunter, immer tiefer bis zu einem kleinen Zeichen im untersten Fünftel des Bildes. Da taucht blau, Himmel auf. Der ist doch blau oder? Aber da sind nur zwei gekreuzte, blaue Linien zu sehen, die eine Art Krippe bilden - oder ist es ein umgestürztes Kreuz? Wird das Kreuz zu Krippe umgedreht? 

Einer hat sich tief hinabgelassen in den mütterliche Erdenschoss, klein und ungeschützt wartend, dass jemand kommt und begreift. Kein fürstlicher Thron, keine goldglänzenden Kissen, nur warmes rötliches Licht, das durch alle Schichten den Weg in diese Erde finden wird. Dieser Gedanke bewegt mich.

Ganz unten hat Einer angefangen, war aber dem Himmel zugehörig, der im obersten Achtel des Bildes zart blau angedeutet wird. Wieder auf dem Weg nach oben, durch eine feine weisse Linie geführt, tauchen beidseitig kleine, blaue Himmelanteile auf, scheinen einen kleinen Spalt dorthin zu öffnen. 

Im obersten Zwölftel ist es hell. Deuten die kleinen, weissen, aufgestellten Quader die heilige Stadt, das neue Jerusalem an? Diese kontrastiert mit dem untersten dunkleren Teil des Bildes, der wie eine grosse Krippe, wie ein zart rötlicher Mutterschoss aufnahmebereit ist. Oben weht eine blaue Fahne - einem Wegweiser ähnlich - über den kleinen weissen Säulen und führt den Blick wieder nach unten zur blauen Krippe. Gehören Himmel und Krippe zusammen? 

Hat der Himmel Platz in der Krippe? Das kleine, blaue Zeichen tief unten im hautähnlichen Rosa spricht ergreifend vom Weihnachtsgeschehen, viel fesselnder als Glanz und Glimmer: 

Einer ist nach unten gegangen, ist einer von uns geworden. Einer ist uns vorangegangen auf dem Weg in den Himmel durch alle Schichten der menschlichen Existenz hindurch – ohne auf Macht zu pochen, nichts vergoldend, einfach nur seinem Gott entgegen.

Sr. Imelda Steinegger

Kostproben

Jahrgang 2022 - Macht und Freiheit – geschwisterlich

Tauzeit Nr. 92 Wirkmacht in freier Gemeinschaft

Tauzeit Nr. 93 Mit freien Händen

Tauzeit Nr. 94 Geschwisterlich geschaffen

Tauzeit Nr. 95 Gott in der Welt, die Welt in Gott

Jahrgang 2021 - Gottessehnsucht, Gottsuche, Gotteserfahrung, Gottesfreundschaft

Tauzeit Nr. 88 "Ich suchte ihn und fand ihn nicht" - Am Anfang steht die Sehnsucht

Tauzeit Nr. 89 Wie fern bist Du usnerer Zeit? - Aufgebrochen, Gott zu suchen

Tauzeit Nr. 90 In der Gegenwart Gottes stehen - Die Gnade des Erfahrens

Tauzeit Nr. 91 Gottesfreundschaft - Von der Suche zur Freundschaft

Jahrgang 2020 - Schriftliches, Schriften, Schreiben, Geschriebenes

Tauzeit Nr. 84 Die Kunst des Lesens - Die Schrift empfangen

Tauzeit Nr. 85 Den Stift ansetzen - Schreiben, nicht tippen

Tauzeit Nr. 86 Erinnerungskultur in Schrift und Bild - Was sich festzuhalten lohnt

Tauzeit Nr. 87 Unsichtbare Schriften entziffern - Liebe, in die Welt geschrieben

Jahrgang 2019 - Der Spiegel als Symbol

Tauzeit Nr. 80 Spieglein, Spieglein an der Wand - Ich schaue mir in die Augen

Tauzeit Nr. 81 Mensch und Natur als Mitgeschöpfe - Spiegelbild der Schöpferkraft

Tauzeit Nr. 82 Der Mensch spiegelt seinen Schöpfer - im Bild der Vielfalt

Tauzeit Nr. 83 Sich im Leben Jesu spiegeln - sehen und staunen

Jahrgang 2018 - Fremdsein

Tauzeit Nr. 76 Fremd durch die eigene Lebenshaltung - Eigenartig oder weltfremd?

Tauzeit Nr. 77 Anders-Orte - Weggehen, um anzukommen

Tauzeit Nr. 78 Nicht von dieser Welt - Sind wir im Exil oder zu Besuch?

Tauzeit Nr. 79 Gross ist das Geheimnis seiner Geburt - Fremder Gott?

Jahrgang 2017 - Essen

Tauzeit Nr. 72 Fasten und Verzichten - keinen Anspruch erheben

Tauzeit Nr. 73 Essen unter freiem Himmel - Von Gefährten zur Gemeinschaft

Tauzeit Nr. 74 Darf und will ich das essen? Die Frage nach dem Woher

Tauzeit Nr. 75 Essen unterwegs - Nahrung am fremden Tisch finden

 

Jahrgang 2016 - Bruder Baum

Tauzeit Nr. 68 Wachstum

Tauzeit Nr. 69 Reifung

Tauzeit Nr. 70 Ernte

Tauzeit Nr. 71 Wurzeln

Jahrgang 2015 - Franziskanische Lebenswelten

Tauzeit Nr. 64 Im Schatten von der Sonne singen

Tauzeit Nr. 65 Pilgernd auf dem Weg des Lebens

Tauzeit Nr. 66 Mitten unter den Menschen

Tauzeit Nr. 67 Stille Nacht

Jahrgang 2014 - Vier Arten der Liebe

Tauzeit Nr. 60 Dir ganz zugeneigt

Tauzeit Nr. 61 Schulter an Schulter

Tauzeit Nr. 62 Wenn sich zwei genug sind

Tauzeit Nr. 63 Am grössten aber ist die Liebe

Weitere Zeitschriften

Franziskanische Impulse und Nachrichten werden von Klöstern und journalistischen Schwestern oder Brüdern auch über Printmedien verbreitet. Die folgenden Zeitschriften sind abonnierbar und finden sich zum Teil elektronisch auch im Internet.

TitelRedaktion / Herausgeber
baldeggerjournal Herausgegeben von den Baldegger Schwestern, erscheint zweimal jährlich
Redaktion: Sr. Marie-Ruth Ziegler, Sonnhaldenstrasse 2, 6283 Baldegg
http://www.klosterbaldegg.ch/index.php?id=136
Franziskus - Kalender Herausgegeben von den Schweizer Kapuzinern
Redaktion: Br. Walter Ludin, Wesemlinstr. 42, 6006 Luzern / Br. Adrian Müller, Herrengasse 33, 6430 Schwyz
http://www.kapuziner.ch/blog/category/franziskuskalender/
Frères en marche Revue missionnaire des Capucins suisses.
Rédaction: Fr. Bernard Maillard OFM Cap, Procure des Missions des Capucins suisses, C.P. 374 - rue de Morat 28, 1701 Fribourg
http://www.freres-en-marche.ch/
HELVETIA FRANCISCANA Beiträge zur Geschichte der Brüder und Schwestern des hl. Franz und der hl. Klara in der Schweiz
Contributions à l’histoire des frères et des soeurs de St. François et de Ste-Claire en Suisse
Contributi alla storia dei frati e delle suore di S. Francesco e di S. Chiara in Svizzera
Herausgeber: Provinzialat Schweizer Kapuziner, Luzern
Interfranziskanische Redaktionskommission: Christian Schweizer (Schriftleitung) Anschrift: Provinzarchiv Schweizer Kapuziner, Wesemlinstr. 42, 6006 Luzern
iTe Eine-Welt-Zeitschrift der Schweizer Kapuziner
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Missionskalender Wandkalender der Schweizer Kapuziner
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